Druck erzeugt Fehler – positive Fehlerkultur entwickeln

Aus der Forschung und auch aus Erfahrung wissen wir, dass die Angst, einen Fehler zu machen, zu Verkrampfung führen kann.

Und damit zu Fehlern, die anderenfalls vielleicht gar nicht passiert wären. Wir wissen auch, dass die Angst vor Fehlern in manchen Organisationen zu exzessiver Risikovermeidung führt, mit der Konsequenz, dass viele Mitarbeiter und Führungskräfte lieber gar nichts tun als etwas Falsches.

Dieses Phänomen ist nicht auf Unternehmen beschränkt. Manchmal müssen sogar Menschen sterben, weil die Augenzeugen eines Unfalls sich nicht zu helfen trauen, aus Angst, den Verletzten zusätzlich zu schädigen.

Die Motivationspsychologie lehrt, dass die Bestrafung von Fehlern sogar die Persönlichkeit verändern kann: Sie kann Menschen, die ursprünglich vom Streben nach Erfolg motiviert waren, »umerziehen« zu ängstlichen »Misserfolgsvermeidern«, das heißt zu Menschen, deren höchste Priorität es ist, nichts verkehrt zu machen. Sobald eine Aufgabe mit Risiken behaftet ist, machen solche »Misserfolgsvermeider« gar keinen Versuch mehr, sie zu lösen, sondern verhalten sich passiv und defensiv, um auf keinen Fall etwas Falsches zu tun.

Es ist daher in der Tat ein Fehler, Fehler zu bestrafen – egal, ob durch formale Sanktionen oder auch nur durch »Sozialstrafen« wie eine heftige Rüge oder gar einen öffentlichen Rüffel. Fehler sind auch so unangenehm genug, jedenfalls für Menschen, die ihre Aufgabe ernst nehmen; da braucht man nicht noch jemanden, der Salz in die Wunde streut. Die Bestrafung von Fehlern erzeugt Angst vor Fehlern. Sie fördert so eine durchaus problematische Fixierung auf Fehler und deren Vermeidung. Das hat gleich zwei Effekte, die man sich eigentlich kaum wünschen kann: Zum einen bewegen wir uns gewöhnlich in die Richtung, in die wir unsere Aufmerksamkeit lenken. Wer mit dem Auto ins Schleudern kommt und angstvoll auf einen näher rückenden Alleebaum starrt, hat gute Chancen, ihn zu treffen. Wer bei einer wichtigen Einladung ständig daran denkt, dass er heute auf keinen Fall kleckern darf, erhöht damit das Risiko, dass ihm genau dies passiert.

Mit anderen Worten: Die Fokussierung auf Fehler beeinflusst deren Wahrscheinlichkeit »positiv« – im Sinne eines Anstiegs. Zum anderen lenkt die Angst vor Fehlern die Aufmerksamkeit ab von dem, worum es eigentlich geht.

Das höchste Ziel menschlicher Arbeit ist ja in der Regel nicht die Vermeidung von Fehlern – dafür könnten wir auch im Bett bleiben – sondern das Erzielen von Erfolgen.

Andererseits ist es ausgesprochen verführerisch für Vorgesetzte, aber auch für Kunden und Kollegen, negativ auf Fehler zu reagieren. Denn Fehler sind ja in der Tat ärgerlich, sodass ungehaltene Reaktionen allzu naheliegen. Trotzdem ist es letztlich nur Ausdruck schlechten Benehmens, wenn man seine Frustration über geschehene Fehler an anderen, vorzugsweise rangniedrigeren, Personen auslässt und sie mit besserwisserischen Vorhaltungen (»So etwas darf einfach nicht passieren!!!«) und unbeantwortbaren Fragen (»Warum haben Sie denn nicht daran gedacht …?«) abstraft. Doch ein Zornesausbruch verschafft nicht nur emotionale Entlastung – er scheint auch zu wirken: Die meisten Vorgesetzten würden wohl übereinstimmen, dass die Wahrscheinlichkeit von Fehlern nach einem herzhaften Rüffel tatsächlich für eine Weile abnimmt. Und sie haben damit sogar recht – nur ihre stillschweigende Annahme, dass ihr Rüffel die Ursache für den Rückgang der Fehler sei, ist falsch. Tatsächlich machen Mitarbeiter nach einem Rüffel weniger Fehler. Doch auch ohne Rüffel machen sie nach einem Fehler weniger Fehler. Das liegt einfach daran, dass Fehler, statistisch gesehen, seltene Ereignisse sind. Je krasser ein Fehler war, desto unwahrscheinlicher ist daher, dass er sich in nächster Zeit wiederholt – mit oder ohne Rüffel. Der Fehler, den viele »Praktiker« machen, ist nicht, dass sie falsch beobachten, sondern, dass sie eine falsche Erklärung für ihre Beobachtung wählen – und dabei einer »Kontrollillusion« zum Opfer fallen. Sie könnten sich ihre Wutausbrüche sparen, wenn sie erkennen würden, dass nicht ihre Rüffel für mehr Sorgfalt sorgen, sondern, dass bloße Zufallseffekte dafür sorgen, dass nach einem schweren Fehler (in aller Regel) nicht gleich wieder ein schwerer Fehler passiert.

Mit ihren ärgerlichen Reaktionen auf passierte Fehler üben sie im günstigsten Fall keinen Einfluss auf die weitere Entwicklung aus, im ungünstigeren sogar eine negative. Doch genau diese Kontrollillusion ist eines der größten Hindernisse eines vernünftigeren Umgangs mit Fehlern: Viele Praktiker sind felsenfest davon überzeugt, dass nur dank ihrer strengen Reaktionen nicht noch mehr Fehler passieren – und in dieser Überzeugung durch Argumente nicht mehr zu irritieren. Rüffel und Vorwürfe haben überdies den Mangel, dass sie erst einsetzen, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist. Sie können Fehler weder verhindern noch ungeschehen machen; ihre einzige zweifelhafte Legitimation ist die vage Hoffnung, künftige Fehler zu verhindern.

Um eine Wiederholung des gleichen Fehlers zu verhindern, gibt es aber weitaus wirksamere Methoden.

Dazu zählt in erster Linie die Analyse des Fehlers, um sein Zustandekommen zu verstehen und die Bedingungen zu erkennen, welche die Fehler-Wahrscheinlichkeit begünstigen. Nur so lassen sich geeignete Gegenmaßnahmen ableiten. Das setzt aber voraus, dass Fehler offen besprochen und ohne Selbstverteidigungs- und Rechtfertigungsreflexe untersucht werden können. Das ist schwierig genug – und wird durch Schuldzuweisungen und strafende Reaktionen noch weiter erschwert. Da niemand als Schuldiger am Pranger stehen will, bewirken Sanktionen und ärgerliche Reaktionen das genaue Gegenteil dessen, was in dieser Situation nützlich wäre: Sie motivieren zum Vertuschen von Fehlern und zu Schwarzer-Peter-Spielen, bei denen jeder versucht, die Fehlerursachen so zurechtzubiegen, dass er selber ent-schuld-igt ist.

Als Menschen sind wir nun einmal fehlerhafte, fehlbare und fehleranfällige Wesen – das ist ein unvermeidlicher und unausweichlicher Bestandteil der menschlichen Natur. Viele Menschen wollen dies aber nicht akzeptieren. Sie sind in ihrem tiefsten Inneren davon überzeugt, dass sie nur dann vollwertige Mitarbeiter und Führungskräfte wären, wenn sie perfekt und absolut fehlerfrei sind. Weil das naturnotwendig ein unerreichbares Ziel ist, kann nur scheitern, wer es zum Maßstab seines Selbstwertgefühls macht. Das hat zur Folge, dass sich solche Menschen immer, wenn sie einen Fehler gemacht haben oder an einen gemachten Fehler erinnert werden, unzulänglich und minderwertig fühlen. Perfektionismus schlägt daher fast unweigerlich in Selbstentmutigung um.

Angst vor Fehlern im Job: So sollten Sie damit umgehen:

  • Durchatmen und Ruhe bewahren.
  • Den möglichen Fehler feststellen und analysieren.
  • Den Fehler akzeptieren und daraus lernen.
  • Das Geschehene reflektieren und adäquate Schlüsse daraus ziehen.
  • Mögliche Schadensbegrenzung überlegen.
  • Denselben Fehler nicht unbedingt wiederholen.

Eine gute Fehlerkultur zeigt sich schon an der Haltung des Managements. Dessen Aufgabe ist es, einen konstruktiven Umgang mit Pannen in der Unternehmenskultur zu verankern. Das erfordert nicht nur Fachwissen, sondern vor allem auch viel Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Mitarbeitern.

Ihr Dr. Peter Schmidke

 

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